Doulos – eine Plattform des Friedens für Papua-Neuguinea

Autor: Julie Knox

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Als die Doulos im September 1999 auf die pa­pua-neu­gui­ne­isch Insel Bougainville zu segelte, verspürte ihre Besatzung eine unterschwellige Angst vor diesem Ort, an dem erst vor Kurzem nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg ein Waffenstillstand geschlossen wurde.

Die weitverbreitete Zerstörung zeigte sich deutlich: Niedergebrannte Dörfer, die nun vom Dschungel überwuchert waren und einst florierende Geschäfte, die jetzt aber in Trümmern lagen. Die Gründe, die die revolutionäre Armee von Bougainville zum Kampf für die Unabhängigkeit bewegt hatten, waren noch nicht vollständig beseitigt worden, aber es gab einen zerbrechlichen Frieden, eine Führungsstruktur und eine Einladung an die Schiffsarbeit von OM, wieder zurückzukehren.

Kapitän Graeme Bird (Neuseeland) legte seinen Kurs vorsichtig fest – schließlich war der Hafen ein Minenfeld der Gefahren. Kein internationales Schiff hatte sich in den Hafen von Kieta gewagt, seitdem die Doulos ihn neuneinhalb Jahren zuvor verlassen hatte. Jedes Navigationslicht war kaputt. Der Anlegeplatz wurde schon lange nicht mehr gewartet und das Wasser hatte sich in eine Deponie für alle  möglichen Abfälle verwandelt, darunter sogar Fahrzeuge.

Das Schiff war tatsächlich vor Ort gewesen, als der Konflikt begann. Im Januar 1990, einen Tag bevor die Doulos im Hafen anlegen sollte, wurde die Genehmigung für alle missionarischen Aktivitäten im Land aufgrund der eskalierenden Gewalt entzogen. Ein außergewöhnlicher Kompromiss wurde geschlossen: Die Besatzung der Doulos konnte die Rettungsboote als Wassertaxen nutzen, um so die Inselbewohner auf das Schiff zu bringen, das in der Nähe des Hafens vor Anker lag. Viele Menschen gaben ihr Leben Jesus, als sie das Evangelium an Bord hörten.

David Short (GB), ein Unterstützer der Schiffsarbeit, der früher selbst in Papua-Neuguinea gearbeitet hatte, unterstütze das Vorbereitungsteam. In einem Café in Kieta fiel ihm ein elegant gekleideter Herr auf, der gerade zu Abend aß. Als David den Gästen von der Doulos erzählte, stellte sich der Herr als Joseph Kabui vor, Präsident des Kongresses der Bevölkerung von Bougainville und Interimsleiter der Insel. Er lud die Vertreter des Schiffes dazu ein, ihn am folgenden Morgen in seinem Büro zu besuchen.

Am nächsten Tag hatte Präsident Kabui zwei Bitten: Erstens, könnte die Doulos ein Seminar über Gebet für die neuen Leiter von Bougainville halten. Zweitens, könnten die Politiker Training über gute und wichtige politische Grundsätze erhalten?

„Ich konnte es nicht fassen”, erinnert sich David. „Natürlich ist das schon oft passiert – die richtige Person zur richtigen Zeit zu treffen. Gott hat uns eindeutig viel begleitet und geführt … eine Führungsperson stellt normalerweise nicht solche Fragen!“

Doulos-Direktor Lloyd Nicholas (Australien) entwickelte unter Gottes Führung ein Programm. Er und der Chefingenieur waren die Hauptredner eines dreitägigen Leiterschaft-Seminars. Er erinnert sich: „Die Leiter zweier Gruppierungen kamen jeweils mit etwa 30 ihrer führenden Angestellten. Sie saßen getrennt voneinander und interagierten nicht viel. Dann, am dritten Tag, begannen Abgeordnete, die Rivalen gewesen waren – unter ihnen auch Feinde im Kampf – ihre Bitterkeit öffentlich loszulassen und einander um Vergebung zu bitten.

Ein früherer Pilot hatte beim Verlassen des Schiffes am vorherigen Tag einen Mann vorgefunden, der dort auf ihn wartete. Er erkannte ihn sofort als die Person, die ihn während der Krise von seinem Flugzeug weggezogen und ihn dazu gezwungen hatte, dabei zuzusehen, wie es verbrannte. Nun, ein Jahrzehnt später, hatte dieser Mann den ganzen Tag gewartet, um den Piloten zu finden und sich bei ihm für seine Taten zu entschuldigen.

Der Vize-Präsident des Kongresses für die Bevölkerung in Bougainville spürte, wie Gott zu ihm sprach, als er die Menschen auf dem Schiff beobachtete. Als ein Mensch, der neu zum Glauben gekommen war, verpflichtete er sich dazu, seine Verantwortung, ein treuer Ehemann und ein gutes Familienoberhaupt zu sein, zuerst wahrzunehmen, und sich erst danach um die effiziente Leitung der Bevölkerung zu kümmern.

Noch mehr Menschen wurden dazu bewegt das, was ihnen auf dem Herzen lag, weiterzugeben. Präsident Joseph Kabui bereute so manches, was gesagt und getan worden war. Der Leiter der gegnerischen Partei antwortete mit seinen eigenen aufrichtigen Entschuldigungen. Als Reaktion darauf gingen die beiden Leiter aufeinander zu, schüttelten sich die Hände, brachen in Tränen aus und umarmten sich schließlich, als sie ihr Bedauern darüber ausdrückten, was zwischen ihnen vorgefallen war.

„Der UN-Botschafter aus Bougainville und der Kommandeur der australischen Armee, die die Gruppe der Friedensüberwachung leiteten, beobachteten sprachlos und erstaunt das Geschehen vom hinteren Ende des Raumes aus!“, erinnert sich Lloyd.

Der letzte Tag des Schiffes im Hafen war der 21. September, der internationale Tag des Friedens der Vereinten Nationen. An diesem Nachmittag wurde am Kai eine traditionelle Zeremonie abgehalten, um den Fortschritt, der an Bord gemacht worden war, öffentlich festzuhalten. Hunderte versammelten sich im Schatten des Schiffes, um Zeuge davon zu werden, wie ehemalige Feinde zusammenkamen, um kulturelle Ausdrucksformen der Zusammengehörigkeit zu demonstrieren und ein symbolisches Versprechen zu besiegeln.

Der UN-Botschafter, seine Exzellenz Herr Noel Sinclair, hielt eine bewegende Rede an der Versöhnungsfeier und pries die Doulos-Gemeinschaft als ein Beispiel für die ganze Welt. „Eure schwimmende Missionsgruppe von mehr als 30 Nationen ist eine Demonstration der Realität und Effektivität von Einheit und Versöhnung zwischen den Menschen“, verkündete der Botschafter. Er fand es passend, dass das Schiff zu der Plattform geworden war, auf der die Leiter der Insel sich ihrer Verantwortung gegenüber verpflichtet hatten, und zwar „auf eine ernste Art, mit einem Streben nach Weisheit, Segen und Bewahrung durch den Prinzen des Friedens.“

Die internationale Gemeinschaft hatte eine Truppe unter der Führung der Australier eingesetzt, die den Waffenstillstand überwachen sollten. Diese Männer des Militärs fragten nach Ausgaben des Jesus-Films auf Pidginenglisch, um die Botschaft der Umwandlung in die Dorfgemeinschaften zu bringen. Teams der Doulos brachten große Bücherspenden, um zerstörte Büchereien wieder aufzubauen und einer Generation von Kindern ohne Schulausbildung zu helfen, einen neuen Anfang zu machen.

„Die Leiter der Doulos sind immer noch ein wenig fassungslos und demütig, ein Teil dieses Friedens- und Versöhnungsprozesses zu sein und haben das Gefühl, dass sie lediglich Zeugen davon waren, was Gott in dieser Provinz tut“, sagte ein Schiffsreporter, als sich die Doulos wieder auf den Weg machte.

In ihrem Kielwasser verbreitete sich das Wort auf der Insel, dass diese erneut ‚offen für Geschäfte‘ war, und internationale Schiffe nahmen den Handel dort wieder auf. Die Doulos hatte Neue Testamente in der ost-papuaneuguineischen Sprache Naasioi gebracht, was der Arbeit der Wycliff-Bibeluübersetzern einen großen Auftrieb gab und einheimische Pastoren ermutigte. Viele Kirchen wurden durch die politische Einheit, die der Schiffsbesuch gebracht hatte, herausgefordert, was konfessionellen Isolationismus schnell in den Hintergrund rücken ließ.

Die OM-Schiffsarbeit knüpfte zum ersten Mal Bande mit Papua-Neuguinea, als die erste Logos 1979 Kontakt aufnahm und genießt nun weiterhin die enge Verbindung zu dieser Nation. Viele Christen wurden so inspiriert, in die Mission zu gehen. 2017 dienen sechs Papua-Neuguineer dem Herrn an Bord der Logos Hope.

Julie Knox aus Großbritannien wurde aus dem Rundfunkjournalismus in die Mission berufen und schreibt nun für OM Schiffe. Als sie 2016 ihr Mikrofon und ihre Schutzweste an den Nagel hängte, stellte sie fest, dass ihre Berufserfahrung, die sie als Berichterstatterin auf Kriegsschiffen gesammelt hatte, als Journalistin für die Logos Hope auf See von Wert sein könnte. Julie lebt mittlerweile auf dem Festland und arbeitet vom Büro von OM Schiffe in Deutschland aus.

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